Schutz behinderter Kinder erstreckt sich auf die Eltern.
Der Fall:
Die klagende Mutter eines behinderten Kindes aus Italien arbeitete als Stationsaufsicht. Sie hat ihren Arbeitgeber mehrmals gebeten, sie an einem Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten einzusetzen. Als Begründung hat sie angegeben, sich um ihren schwerbehinderten, vollinvaliden Sohn kümmern zu müssen. Der Arbeitgeber passte ihre Arbeitszeiten zwar vorübergehend an, lehnte eine dauerhafte Vereinbarung dazu aber ab.
Der italienische Kassationsgerichtshof – das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Italien – legte den Fall dem EuGH vor, um Fragen zu einer möglichen Diskriminierung im Rahmen des Vorabentscheidungsgesuches klären zu lassen.
Die Entscheidung:
Der EuGH entschied, dass es eine „Mitdiskriminierung“ sein kann, wenn der Arbeitgeber die besonderen Bedürfnisse von Eltern behinderter Kinder nicht berücksichtigt, obwohl er es könnte. Der Arbeitgeber habe dann die Pflicht, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Arbeitnehmer ihren behinderten Kindern die erforderliche Unterstützung zukommen lassen können. Er dürfe dabei nur nicht unverhältnismäßig belastet werden.
Ausschlaggebend für diese Bewertung ist die Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG). Ihr Zweck sei, in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen. Der EuGH nannte zudem die Kinderrechte (Art. 24) und das Eingliederungsgeld behinderter Menschen (Art. 26) aus der EU-Grundrechtecharta sowie das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen als entscheidungsbildende Rechtsakte.
Nach diesen Regelungen erfasste das allgemeine Diskriminierungsverbot auch Eltern behinderter Kinder. Sie dürfen im Beruf nicht benachteiligt werden, weil sie ihre Kinder unterstützen, sonst wäre das ein Fall der „Mitdiskriminierung“.