Fahrerlaubnis auf Probe - medizinisch-psychologisches Gutachten nach erneutem Verkehrsverstoß in neuer Probezeit
Auch nach Verzicht auf Fahrerlaubnis ist MPU bei Nichtbewährung in zweiter Probezeit anzuordnen
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.10.2024 zum Az. 3 C 3.23
Der Fall:
Dem Kläger wurde erstmals im Juli 2014 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt. Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle und einer weiteren Kontrolle aus Anlass von Verkehrsverstößen wurde der Konsum von Cannabis festgestellt. Darauf verlangte die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten führte zu einer negativen Beurteilung seiner Fahreignung, worauf er auf seine Fahrerlaubnis verzichtete. Auf der Grundlage eines nunmehr positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens wurde dem Kläger im Juli 2020 die Fahrerlaubnis der Klasse B neu erteilt. 2 Monate später überfuhr er eine bereits länger als eine Sekunde rote Ampel. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete erneut die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an und stützte sich hierfür auf § 2a Abs. 5 S. 5 StVG. Nachdem der Kläger das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hatte, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Das VG hat die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben, weil die Anordnung der Beibringung eines erneuten medizinischen-psychologischen Gutachtens nicht auf § 2a Abs. 5 S. 5 StVG habe gestützt werden können. Die Vorschrift gelte nach ihrem Wortlaut nur, wenn die 1. Fahrerlaubnis entzogen worden sei und nicht, wenn der Betroffene -wie hier- auf die Fahrerlaubnis verzichtet habe. Das OVG hat hingegen die Vorschrift auf den Verzicht für entsprechend anwendbar gehalten und die Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis abgewiesen.
Die Entscheidung:
Das BVerwG hat die Rechtsauffassung des OVG bestätigt. Die Anforderungen des medizinisch-psychologischen Gutachtens konnte auf § 2a Abs. 5 S. 5 StVG in entsprechender Anwendung gestützt werden. Die Fahrerlaubnis auf Probe wurde im Jahr 1986 eingeführt. Sie soll allen Fahranfänger deutlich machen, dass sie sich in einer Probezeit bewähren müssen. Mit dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 24.April 1998 reagierte der Gesetzgeber auf den Versuch, die Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe durch Verzicht und anschließenden Neuerwerb zu umgehen. Es hatte zum Ziel, dass die Regelungen für den Fall der Entziehung auch beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis Anwendung finden.
Für die hier in Rede stehenden Regelungen über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und Zuwiderhandlung in der neuen Probezeit (§ 2 Abs. 5 StVG) sollte eine Gleichstellung erfolgen. Ausdrücklich geregelt wurde sie nur für das Erfordernis der Teilnahme an einem Aufbauseminar vor Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis, nicht für die Anforderung eines Gutachtens nach erneuter Nichtbewährung in den neuen Probezeit. Das Ziel, eine Umgehung der Probezeit mit ihren besonderen Maßnahmen zu begegnen, sowie Sinn und Zweck der Vorschriften, im Interesse der Verkehrssicherheit auf Falle Fahranfänger gleiche Regeln anzuwenden, rechtfertigen die Annahme einer nicht beabsichtigten Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu schließen ist.
Veröffentlicht von Rechtsanwalt Bernd Schmitz im Oktober 2024